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5 Fragen, 5 Antworten mit Dr. Patrick Kübler und Inka Nobel

Inka Nobel

Inka Nobel, Partner, Digitale Transformation

Patrick Kübler

Dr. Patrick Kübler, Director, Head of Production

Welches Potenzial bietet die Digitalisierung der Produktion und die IT/OT-Integration zur Erschließung neuer Effizienzgewinne?

Laut einer Studie von PwC stehen 64 Prozent der Unternehmen in Deutschland in Sachen Smart Factory noch ganz am Anfang. Das deckt sich ungefähr auch mit unseren Erfahrungen. Deswegen ist auch das Potential riesengroß, und zwar in allen drei Bereichen – Produktentwicklung, Produktionsplanung und Produktionsdurchführung. Selbst im IT-affinsten Bereich, der Produktionsentwicklung, stehen wir noch ganz am Anfang. Hier gehe ich von 50 Prozent Optimierungspotenzial aus.

Mit der IT/OT-Integration und der IT-gestützten Automatisierung hat sich die produzierende Industrie bisher noch etwas schwergetan. Das liegt mitunter daran, dass IT und Produktion bisher organisatorisch meist getrennt waren. Es sind zum Großteil immer noch unterschiedliche Welten mit sehr unterschiedlichen Prioritäten und Anforderungen. Verfügbarkeit ist beispielsweise in der Fertigung sehr hoch priorisiert. Software darf dort nie ausfallen, weil sonst der gesamte Produktionsprozess gefährdet ist und dadurch hohe Kosten verursacht werden. Daher ist man auch sehr vorsichtig mit der Implementierung neuer Software.

Intelligente Produktion und Customer Service

In welchen Geschäftsbereichen ist die digitale Prozessautomatisierung bislang am meisten vorgedrungen und wo kann sie die größten Kostenersparnisse bzw. die größte Wertschöpfung generieren?

Da die Produktentwicklung und die Produktionsdurchführung die größten Kostenblöcke bei produzierenden Unternehmen darstellen, ist hier auch das größte Potenzial für Effizienzsteigerungen durch Automatisierung vorhanden. Das bestätigt auch die derzeit hohe Nachfrage nach Lösungen in diesen Bereichen. In den letzten Jahren gab es außerdem große Anstrengungen, die Prozesse in der Produktionsplanung und -Steuerung sowie im Auftragsmanagement zu automatisieren, und hier hat sich einiges getan. Grund ist mitunter die Tatsache, dass hier viele verschiedene Systeme im Spiel und die Prozesse deshalb nicht durchgängig sind. Daten müssen häufig manuell von einem System zum anderen übertragen werden. Diese Arbeit lässt sich mithilfe von KI-Agenten wesentlich effizienter gestalten. Außerdem müssen die Unternehmen mit ihren personellen Ressourcen sparsamer umgehen, da viele ältere Ingenieure demnächst in Rente gehen und die Zahl der Maschinenbau-Absolventen in den Hochschulen seit Jahren rückläufig ist.

Welche Automatisierungstechnologien werden Ihrer Ansicht nach in den nächsten Jahren in der Produktion eine wichtige Rolle spielen?

Ich glaube, dass Agentic AI große Auswirkungen auf die Produktionsautomatisierung haben wird, vor allem in Bereichen, in denen viele unterschiedliche Systeme involviert sind. Wenn beispielsweise etwas am Produktentwurf geändert wird, sollte man in der Lage sein zu simulieren, welche Auswirkungen dies auf den Fertigungsprozess hat. KI-Agenten bieten die Möglichkeit, diese Abläufe zu automatisieren. Es gibt viele solcher Aufgaben, wo Daten analysiert und unter Beachtung bestimmter Regeln von einem System zum anderen übertragen werden müssen. Das muss nicht jedesmal ein hochqualifizierter Ingenieur tun, KI-Agenten können das günstiger und schneller. Wir stehen bei dieser Technologie zwar noch ganz am Anfang, aber es ist abzusehen, dass sie in den nächsten Jahren große Auswirkungen auf die Prozesse haben wird.

Von Produktionsprozessen abgesehen hält KI gerade Einzug in praktisch alle Bereiche der Digitalisierung. Besonders generative KI erlebt einen Boom im Bereich Kundenservice. Wie verändert sich die Digital Experience der Kunden durch den Einsatz von KI und was sind die Vorteile sowohl für Kunden als auch für Unternehmen?

Vom Kundenservice aus gesehen gibt zwei maßgebliche Faktoren, die KI positiv beeinflussen kann, nämlich die Erlebnisqualität und die Reaktionszeiten. Der häufigste Kritikpunkt im Kundendienst sind lange Wartezeiten, außerdem mögen die Kunden keine Weiterleitungen oder halbe Antworten. Die Bereiche Customer Service und Reklamationsmanagement können mit die höchsten Effizienzgewinne durch den Einsatz von KI erzielen, allein schon durch die Zusammenfassung von Informationen und die Aufbereitung von Antworten. Das ist eine große Hilfe für die Service-Mitarbeitenden und erhöht die Qualität der Interaktion und die Reaktionsgeschwindigkeit.

Aus dem Kundenerlebnis heraus würde ich sagen, dass der größte Effekt die KI-Integration in Websites ist, weil der Kunde hier schon direkt im Kundenportal eine Lösung für sein Anliegen bekommen kann und sich auf diese Weise eine Interaktion mit dem Customer Service erspart. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der KI-Agent ausreichend Trainingsdaten zur Verfügung hat und der Prozess in Bezug auf seine Mitwirkung gut abgesteckt ist. Aber das ist alles keine Hexerei mehr.

Der Einsatz von autonomen KI-Agenten in Bereichen wie Customer Service verspricht große Effizienzgewinne. Welche Voraussetzungen sollten bei den Unternehmen erfüllt sein, um KI-Agenten erfolgreich einsetzen zu können?

Die Kunst hier ist zu wissen, zu welchem Grad ich automatisieren soll, also wann eine Weiterleitung sinnvoll ist, wann Automatisierung gewinnbringend für den Kunden und zugleich ein Effizienzgewinn für den Betreiber ist, und wann ich abbiegen muss, also wann ein KI-Assistent nicht mehr helfen kann und das Gespräch lieber an einen menschlichen Mitarbeitenden abgeben sollte. Was wir in der Zusammenarbeit mit Kunden häufig sehen, ist dass viele anfangen, ihnen aber die strategischen Zielsetzungen nicht klar sind, zum Beispiel an welchen Stellen genau Effizienzgewinne erzielt werden sollen. Hier geht es darum, die Effizienzen dort zu suchen, wo es tatsächlich Hebel gibt, die eine Optimierung ermöglichen. Deswegen muss man wissen, wo es in der Customer Experience Effizienzverluste oder Abbrüche gibt und bei welchen Use Cases es Möglichkeiten zur schnellen Optimierung vorhanden sind. Diese finden wir zusammen mit dem Kunden zu Beginn eines Projekts in Workshops heraus.

Hinzu kommt das Thema Multichannel-Service. Die große Herausforderung hier besteht darin, dass der Kunde sich nahtlos über alle Kanäle hinweg bewegen kann und der Betreiber mit den Services ebenso nahtlos hinterherkommt. Es geht heute nicht mehr nur darum, ein Kundenportal aufzubauen, sondern ganze Digital-Experience-Landschaften. Dabei muss man die Konsistenz über alle technischen Architekturen sicherstellen, um alle Touchpoints konsistent bedienen zu können.

In Relaunch-Situationen von Websites definieren wie die Customer Journey komplett neu, um Elemente wie KI-Agenten zu integrieren und so das Nutzererlebnis noch mehr zu optimieren oder auf die nächste Personalisierungsebene zu bringen. Wichtig ist hier zu erwähnen, dass wir herstellerunabhängig arbeiten. Welche Lösung schlussendlich eingesetzt wird, hängt sehr davon ab, welche Technologien beim Kunden bereits vorhanden ist.

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