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5 Fragen, 5 Antworten mit Markus Lünsmann

Interview mit Markus Lünsmann

Markus Lünsmann,
Executive Vice President bei adesso

Welche infrastrukturellen Voraussetzungen sind Ihrer Ansicht nach grundlegend, um digital innovativ sein zu können?

Die Entwicklung der generativen KI hat gezeigt, wie schnelllebig und disruptiv Technologie sein kann. Bei der Schaffung der infrastrukturellen Voraussetzungen für Innovation geht es primär darum, eine gegenüber Veränderungen möglichst resiliente IT aufzubauen. Das gelingt am besten über die Erfüllung von Rahmenbedingungen wie unternehmensweite Datenverfügbarkeit und Datenintegration, was unter Anderem das Auflösen von Datensilos in den einzelnen Fachbereichen mit sich bringt. Damit ist die IT in der Lage, situativ auf neue Impulse zu reagieren. Letztere können aus der IT kommen, wie zuletzt durch KI, aber auch aus dem Business. Wenn zum Beispiel ein Bereich transformiert werden muss, weil die traditionellen Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren, ist man auf diese Resilienz der IT angewiesen. Insbesondere die Verfügbarkeit der operativen Daten, die zur Wertschöpfung beitragen, ist hier wichtig. Denn damit kann die IT den Fachbereichen die Werkzeuge an die Hand geben, die es ihnen ermöglichen, ihre Wertschöpfung zu verbessern.

digitale innovation

Die Nutzung von Plattformen ist in diesem Kontext sehr hilfreich, weil diese die Komplexität der traditionellen IT abstrahieren können. Basistechnologien wie Anmeldeservices oder Features wie Datenpersistenz sind dort einfach zuverlässig verfügbar. Damit sind Plattformen die Enabler von Skalierung und Wiederverwendbarkeit. Man sollte aber darauf achten, möglichst wenige Plattformen zu betreiben, die möglichst viele Geschäftsprozesse abbilden können.

Um als Unternehmen digital innovativ sein zu können, ist auch eine Kultur der Innovationsfreude nötig. Was kennzeichnet eine innovationsfreudige Firmenkultur und welche strukturellen Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit diese gedeihen kann?

Die strukturellen Voraussetzungen würde ich in die Kategorien Freiheitsgrade und Ressourcen subsumieren. Um Neugier und Experimentierfreudigkeit zu fördern, sollte man zum Beispiel auch in der Organisationsstruktur und in der Führung diese Freiheitsgrade zulassen. Man sollte den Raum bieten, in dem Menschen sich verantwortungsvoll entfalten können. Führungskräfte haben hierbei eine Vorbildfunktion: Wenn ich als Führungskraft ein Vorbild für Innovationsfreude bin, dann schaffe ich eine Führungskultur, die zur Nachahmung anregt. Und wenn sich Menschen in diese Räume hinein entwickeln, muss ich entsprechend unterstützen, anerkennen und mich als Führungskraft als Coach verstehen. Um strukturelle Hürden abzubauen, sind flache Hierarchien und schnelle Entscheidungswege hilfreich. Wichtig ist auch, Teams möglichst komplementär aufzustellen, mit Menschen, die sich gegenseitig ergänzen.

Welche Rolle spielt eine gut funktionierende eigene Software-Entwicklungsabteilung für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens?

Plattformen liefern keine IT aus der Steckdose, auch wenn sie das häufig suggerieren. Insofern ist die Fähigkeit zur Software-Entwicklung innerhalb der eigenen Organisation auf jeden Fall notwendig, entweder um individuell diese Plattformen zu ergänzen oder die Erklärbarkeit herzustellen für das, was diese Plattformen tun. Ein praktischer Grund ist auch, dass man damit auf geänderte Anforderungen schneller reagieren kann. Außerdem ist die Software-Entwicklung ein Enabler digitaler Geschäftsmodelle, besonders wenn ich mich in Regionen bewege, die nicht Commodity sind. Als innovatives Unternehmen, das digitale Geschäftsmodelle betreibt, sollte man in der Lage sein, sein Kerngeschäft und das dazugehörige geistige Eigentum zu besitzen. Das ist eine Kompetenz, die man in der Regel nicht aus der Hand gibt. Hilfreich ist mit Sicherheit auch, strategische Partner in diesem Bereich zu haben.

Der Hype um generative KI hat Unternehmen teilweise unter Zugzwang gesetzt. Wie hilft adesso Unternehmen bei der Erkundung des richtigen KI-Ansatzes und was hat es mit „Trustworthy AI“ auf sich?

Die größte Herausforderung ist, dass wir insbesondere mit generativer KI bei unseren Kunden Probleme lösen können, die bei Ihnen als solche noch nicht wahrgenommen werden, weil der Lösungsraum bisher nicht bekannt war. Hier klären wir auf, welche Themen dafür geeignet sind, durch KI zumindest unterstützt zu werden. Die Automatisierung von repetitiven und kognitiv weniger anspruchsvollen Aufgaben bietet viel Potenzial für Effizienzgewinne, viel spannender ist aber das Thema Effektivität. Wenn Sie als Pharmaunternehmen es schaffen, Molekülketten für neue Medikamente um 10 Prozent schneller zu entwerfen und zu testen, dann ist das von der Effektivität her gesehen ein völlig anderes Niveau als beispielsweise die Onboarding-Prozesse der Personalabteilung um 10 Prozent zu verschlanken. Der zweite Aspekt ist, dass wir Kunden durch Change Management die Scheu davor nehmen, KI einzusetzen. Dazu gehört auch, ihnen deutlich zu machen, dass keine Jobs wegfallen, sondern die Jobprofile zusätzliche Qualifikationen erfordern. Wir werten Jobprofile in dem Sinne auf, dass sie weniger repetitive Tätigkeiten und mehr konzeptionelle und steuernde Arbeit beinhalten.

Trustworthy AI ist für uns entscheidend, weil wir damit die Erklärbarkeit herausstreichen wollen. Denn wenn man nicht nachvollziehen kann, wie und warum eine KI zu einem bestimmten Ergebnis kommt, kann man dieses Ergebnis auch nicht als gültig anerkennen.

Welche anderen Technologien sollte man als innovationsfreudiges Unternehmen künftig auf dem Radar haben?

Ich rechne damit, dass das Thema KI-Agenten uns die nächste Zeit massiv beschäftigen wird. Dazu gehören ereignisgesteuerte und autonom handelnde Agentensysteme, die Tätigkeiten übernehmen, die bis dahin Menschen vorbehalten waren. Viele Herstellerplattformen stellen bereits die Basistechnologien dafür zur Verfügung. Quantencomputing hat ebenfalls disruptives Potenzial und wird uns bei der Optimierung komplexer Systeme sehr helfen, zum Beispiel in Branchen wie Logistik. Cybersicherheit würde ich als Basistechnologie auf jeden Fall im Auge behalten, denn sie wird gerade entscheidend von KI geprägt, zum Beispiel im Bereich Threat Detection. Ich rechne auch damit, dass Produktionssysteme (Operational Technology, OT) und die OT/IT-Integration uns die nächsten Jahre beschäftigen werden, auch wenn die Entwicklung hier eher langsam ist.

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